In einer Analyse in der FAZ hinterfragt Oskar Lafontaine die Diskursbildung in westlichen Gesellschaften, indem er den Zusammenhang zwischen Besitz, Macht und öffentlich verwendeten Begrifflichkeiten untersucht. In Berufung auf den Aufklärer John Locke erinnert Lafontaine daran, dass Eigentum eigentlich durch eigenes Tun entstehen solle. Wo sich jedoch ungerechte Eigentums- und Vermögensstrukturen etablieren und selbst verstärken, weil das direkte Tun in einem System, in dem Kapital vermeintlicherweise "arbeitet", immer weniger wert hat und kaum noch öffentlich wirksam ist, werde eine undemokratische Machtverteilung verstärkt. "Wer Vermögen hat, vermag etwas", heiße nun die Devise, so Lafontaines Kritik: "Vermögens- und Machtstrukturen erneuern und verstärken sich und stehen den als notwendig erkannten gesellschaftlichen Veränderungen wie ein scheinbar unüberwindliches Hindernis gegenüber." Doch gehe es letztlich nicht nur um diese vordergründigen Machtstrukturen, sondern auch um das Denken, das durch sie verfestigt werde: "Entscheidender ist, dass die Denk- und Urteilsstrukturen, denen wir unterworfen sind, der geistige Überbau dieser Machtverhältnisse sind. ... Wer die Begriffe prägt, bestimmt das Denken. ... Ein Beispiel unserer Tage für die Macht der Begriffe ist, dass das Wort Bankenkrise aus dem öffentlichen Diskurs über die sogenannte Euro-Krise verschwunden ist. Stattdessen wird nur noch von der Staatsschuldenkrise gesprochen. Der Bankenlobby ist es wieder einmal gelungen, die Politik auf die falsche Spur zu setzen. Die Folge ist, dass statt einer Zerschlagung der Großbanken und einer strengen öffentlich-rechtlichen Regulierung der Geldhäuser eine Demokratie zerstörende und ökonomisch kontraproduktive Austeritätspolitik zur Lösung der vermeintlichen Staatsschuldenkrise verordnet wird. Zeitgeist, Sprache, Begriffsapparat und die realen Machtstrukturen stehen also der Durchsetzung linker Reformen im Wege." Ich kann dieser Diskursbetrachtung nur zustimmen. In den täglichen Nachrichten ist meist weniger interessant, was tatsächlich geschieht, als eher, welche Voraussetzungen, die den Berichten zugrunde liegen, unhinterfragt und teils auch unausgesprochen bleiben.
Warum die Linke oft recht hat, es aber nur selten bekommt, FAZ 11.9.12
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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