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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Die existenzielle Dimension des Scheiterns

Scheitern als Chance ist ein beliebtes Thema, das in Job-Ratgebern alle paar Monate abgefeiert wird. Da geht es dann darum, was man alles aus Fehlschlägen lernen kann oder wie innovativ Unternehmen sein könnten, wenn sie sich bzw. ihren Mitarbeitern nur ein bisschen mehr Freiraum zum Scheitern gewähren würden. An manchen dieser Gedanken mag etwas dran sein, doch blenden sie aus, dass Scheitern auch eine existenzielle Dimension haben. Wer wirklich am Boden liegt, steht nicht so leicht wieder auf. Und oft belasten die Folgen des Scheiterns Menschen noch viele Jahre später. "Lasst euch nichts erzählen: Scheitern ist nicht die Zitrone des Schicksals, aus der man Limonade macht. Scheitern ist scheiße. Und kann einem auch das Genick brechen. Selbst wenn man den Willen hat, immer wieder aufzustehen: Optimismus und Durchhaltevermögen allein reichen oft nicht aus. Vor allem, wenn man aus einer Familie kommt, die einen finanziell nicht auffangen kann. Nicht jeder kann es sich leisten, eine Firmenpleite als Lernerfahrung zu verbuchen", sagt etwa Martina Leisten in einem Beitrag in der Zeit. Sie setzte ein von ihr gegründetes Café in den Sand. An den Schulden zahlte sie, später in privater Insolvenz, viele Jahre. Und der große Fehlschlag ließ sie depressiv werden. Sie hat sich wieder aufgerappelt. Aber sie gehört nicht zu jenen, die in der Kneipe vollmundig und mit Humor über das eigene Scheitern munter Geschichten erzählen. Für sie hat sich das Leben deutlich verändert durch ihren Fehlschlag: "Manchmal denke ich, meine Pleite hat mich mehr Pragmatismus gelehrt. Aber es hat auch ein Stück Lebensfreude genommen. Die Begeisterung, mit der ich früher an Dinge herangegangen bin, ist gedimmt. Ich denke inzwischen: Je weniger Erwartungen und Hoffnung ich in eine Sache stecke, desto weniger kann ich enttäuscht werden." In einer Kultur, in der Scheitern die eigene Existenz nicht nur treffen kann, sondern sie vielleicht sogar verschlingt, ist es leicht, über Fehlertoleranz zu reden oder den Mut zum Risiko. Mir imponiert Martina Leisten, weil sie dem hippen Gequatsche etwas entgegensetzt - Lebenserfahrung, die demütig werden lässt.
"Lasst euch nichts erzählen: Scheitern ist scheiße", zeit.de 17.10.18

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Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

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