Die Illusion von Kontrolle trifft uns frontal
Psychologen stellen seit vielen Wochen fest, wie stark die Pandemie auf unser Angstsystem zu wirken scheint. Der kollektiv erfahrene Kontrollverlust offenbart dabei ein Paradox, denn es sind nicht unbedingt die realen Gefahren, die uns in Sorge versetzen, sondern eher die Erkenntnis, dass wir einer Illusion aufgesessen haben, unser Leben kontrollieren zu können. "Wie leben in einer der am besten abgesicherten Gesellschaften weltweit. Aber unsere Ängste sind oft überdimensional groß. Unsere Fähigkeit, auf einen Kontrollverlust zu reagieren, nimmt ab. Weil es für uns so selbstverständlich ist, dass es immer Strom gibt, dass Wind und Wetter kein Problem mehr sind, all das. Je weniger Angst wir ausgesetzt sind, desto mehr wächst die Illusion, es gäbe ein System ganz ohne sie", erklärt der Coach Bernd Sprenger in einem Interview mit der Zeit. Für ihn lädt die Unsicherheit der gegenwärtigen Situation geradezu dazu ein, sich mehr darauf zu besinnen, was wir nicht kontrollieren können, und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen: "Wir können nicht alles selbst planen. Deshalb sollten wir es gar nicht erst versuchen. Es geht eher darum: Vertrauen zu entwickeln in Bereichen, die man gar nicht kontrollieren muss. Natürlich sollten wir aktiv handeln. Aber da, wo wir es können, wo wir etwas verändern können. Und nicht da, wo wir ohnehin keine Macht haben."
"Vertrauen Sie darauf, dass Sie irgendwie durch die Krise kommen", Zeit.de 21.8.20