Die Angst sitzt ihnen im Nacken, um beruflich später Chancen zu haben, häufen sie Praktika und Zusatzqualifikationen an und ihr größtes Ziel ist Sicherheit. Das Rheingold Institut Köln hat in einer Studie zur Jugendkultur die neue "Generation Angst" ausgemacht, die heute 18- bis 24-Jährigen, deren Lebensperspektive von zunehmender Unsicherheit geprägt ist und die darauf mit Anpassung und Folgsamkeit reagieren. Befragt wurden 100 Teilnehmer der Altersgruppe in Form von tiefenpsychologischen Interviews. "Die Angst vor dem Absturz ist zum zentralen Lebensgefühl der Jugendlichen geworden", so Rheingold-Chef Stephan Grünewald über das grundlegende Lebensgefühl der Befragten. Was früher als spießig galt - Bausparverträge, Versicherungen, Strebsamkeit während der Ausbildung - wird für die heutige Jugend zu einem Rettungsanker in einer immer unberechenbareren Welt. Auf fehlende Sicherheit und Verlässlichkeit reagieren die jungen Leute mit Abgrenzung nach unten. Verlierer werden geschmäht und verachtet, um die Illusion zu nähren, selbst hoffentlich zu den Gewinnern zu gehören und das eigene Leben in der Hand zu haben. Da klare Feindbilder fehlen, reagieren viele Kids mit Rückzug - beispielsweise in den Schonraum der mütterlichen Geborgenheit. "Die Mütter werden häufig hymnisch verehrt, als Bastian verlässlicher und bedingungsloser Liebe, die nicht an Erfolgskriterien geknüpft ist und einen nach dem Absturz auffängt", so Grünewald. Der Psychologe zieht in Erwägung, dass die von den jungen Leuten artikulierte Sehnsucht nach Verlässlichkeit, stabilen Werten und Wahrheiten in einigen Jahren zu einem politischen Fundamentalismus führen könnte, dessen Färbung noch nicht abzusehen sei.
Generation Biedermeier, SZ 11.9.10
© Dr. Nadja Rosmann 2024
Impressum / Datenschutz
Weitere Beiträge im Blog
- Klima-Angst und möglicher Job-Verlust
- Wohlstand lässt Jugendliche unglücklicher sein
- Stress ist Gift für Unternehmen
- Führungskräfte sind ein wesentlicher Bindungsfaktor
- Warum Nein-sagen manchen so schwer fällt
- Ein Loblied auf die Vier-Tage-Woche
- Arbeiten bis zum Umfallen war gestern
- Braucht es Goodies, um die Rückkehr ins Büro schmackhaft zu machen?
- Im Job wird von Frauen mehr erwartet
- Ist das Glück näher, als wir denken?
- Schlaf lässt sich weder erzwingen noch herbeimessen
- Power im Job fängt beim Essen an
- Schöne Alltagsmomente machen das Leben bedeutungsvoll
- Fast alle wollen einen ordentlichen Feierabend
- Viele wollen weniger arbeiten