Im Zuge der Rentendiskussion wird viel darüber gesprochen, dass unter anderem die steigende Lebenserwartung das System immer instabiler werden lässt. Die Global Burden of Disease Study, für die Daten aus 195 Ländern ausgewertet wurden, zeigt nun: In Deutschland ist die Lebenserwartung, verglichen mit anderen westeuropäischen Ländern, sogar sehr niedrig. Heute in Westeuropa Geborene haben eine Lebenserwartung von durchschnittlich 79,5 Jahren (Männer) und 84,2 Jahren (Frauen) - in Deutschland liegt sie bei Männern 1,3 und bei Frauen 1,2 Jahre darunter. Die Wissenschaft macht dafür verschiedene Faktoren verantwortlich. Eine ist die deutsche Ernährungsweise, die beispielsweise im Vergleich zur typischen Mittelmeerkost weniger gesund sei. Aber auch soziale Ungleichheit hinterlasse ihre Spuren. In der Eurozone seien die Vermögen nur in Litauen noch ungleicher verteilt als in Deutschland. Materiell unterprivilegierte Menschen scheinen indes zu riskanteren Lebensstilen zu neigen und sich ungesünder zu ernähren als der Bevölkerungsdurchschnitt. Hinzu kommen soziale Sorgen und Ängste, die ebenfalls auch die Lebenserwartung durchschlagen. In Deutschland sterben Männer, die an der Armutsgrenze oder darunter leben, durchschnittlich 10,8 Jahre früher als jene, denen es materiell gut geht. Es sind Zahlen, die nachdenklich machen, zumal im Gesundheitssektor immer wieder Bestrebungen zu erkennen sind, das solidarische Versicherungssystem stärker in Richtung individueller Vorsorge zu verschieben. Sicher, gesund ernähren kann sich im Prinzip jeder, aber ungesundes Convenience Food ist oft deutlich preiswerter, als den Kalorienbedarf mit frischen Lebensmitteln, bestenfalls sogar aus Bio-Anbau, zu decken. Und sozialer Druck ist ein kollektives Phänomen, das sich nicht durch ein bisschen Meditation zum Verschwinden bringen lässt.
Deutsche haben die geringste Lebenserwartung in Westeuropa, zeit.de 22.11.18
© Dr. Nadja Rosmann 2024
Impressum / Datenschutz
Weitere Beiträge im Blog
- Klima-Angst und möglicher Job-Verlust
- Wohlstand lässt Jugendliche unglücklicher sein
- Stress ist Gift für Unternehmen
- Führungskräfte sind ein wesentlicher Bindungsfaktor
- Warum Nein-sagen manchen so schwer fällt
- Ein Loblied auf die Vier-Tage-Woche
- Arbeiten bis zum Umfallen war gestern
- Braucht es Goodies, um die Rückkehr ins Büro schmackhaft zu machen?
- Im Job wird von Frauen mehr erwartet
- Ist das Glück näher, als wir denken?
- Schlaf lässt sich weder erzwingen noch herbeimessen
- Power im Job fängt beim Essen an
- Schöne Alltagsmomente machen das Leben bedeutungsvoll
- Fast alle wollen einen ordentlichen Feierabend
- Viele wollen weniger arbeiten