Ritalin, Amphetamine, Betablocker oder gar Kokain? In der 24/7-Leistungsgesellschaft, in der die Erschöpften gnadenlos auf der Strecke bleiben, scheint inzwischen fast jedes Mittel recht, um halbwegs mithalten zu können. Ob es sich beim Thema Hirndoping, das inzwischen regelmäßig durch die Medien geistert, bereits um einen alarmierenden gesellschaftlichen Wandel handelt, ist eine Frage der Interpretation. Ein Beitrag auf Spiegel online verweist beispielsweise darauf, dass Studien zufolge in den USA bereits ein Viertel der Studenten zu Pharmazeutika greife, um den Anforderungen im Studium standzuhalten. Eine deutsche Untersuchung unter 8.000 Studenten komme zu dem Schluss, dass 90 Prozent der hierzulande Studierenden überhaupt keine Mittel zur Leistungssteigerung einsetzen. Fünf Prozent nutzen "sanfte" Mittel wie Vitaminpräparate, Koffein oder homöopathische Mittel. Die übrigen fünf Prozent greifen hingegen zu Ritalin, Amphetaminen, Betablockern, Kokain oder kiffen. Eine Untersuchung der DAK unter Berufstätigen brachte zutage, dass von 3.000 Befragten zwei Prozent "regelmäßig, gezielt und systematisch" zu Arzneimitteln greifen, die sie medizinisch betrachtet nicht benötigen. Der Prozentsatz mag nicht hoch erscheinen, umgerechnet auf alle Berufstätigen würde er jedoch bedeuten, dass es in Deutschland bereits 800.000 Hirndoper gibt. Eine Entwicklung, die zumindest für die Betroffenen problematisch sein kann. So zitiert der Beitrag den Arzt Götz Mundle, der vor Abhängigkeit, Persönlichkeitsveränderungen und Aggressionen als Folge des Substanzmissbrauchs warnt. Alles in allem: Der übertriebene Leistungsethos in der Arbeitswelt, verschärft durch immer höhere Anforderungen an die Berufstätigen aufgrund von Sparmaßnahmen, zeitigt bedenkliche Folgen - und ohne gesellschaftliche und politische Diskussion über das, was Arbeitnehmern zuzumuten ist, dürfte die Zahl der Hirndoper weiter steigen.
Immer her mit den bunten Psychopillen, Spiegel online 5.11.12
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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