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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Rohe Bürgerlichkeit und rabiater Wettbewerb

Die taz wirft in einem Gespräch mit dem Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer einen Blick auf die Meta-Ebene unserer gesellschaftlichen Entwicklung und kommt dabei zu beunruhigenden Erkenntnissen. Heitmeyer untersuchte über das letzte Jahrzehnt, wie sich gesellschaftliche Umgangsformen und Dynamiken verändert haben. Neben "Signalereignissen" wie dem 11. September 2001, der Einführung von Hartz IV und der Finanzkrise, aber auch der zunehmenden Ökonomisierung des Sozialen beobachtet der Soziologe viele schleichende Prozesse, die dazu beitragen, dass gesellschaftliche Vertrauensmuster sich auflösen. Auf diesem Nährboden gedeihen neue "Abwertungsmuster", die von der wachsenden Diskrepanz zwischen denen "da oben" und denen "da unten" genährt werden. "Dieser rohen Bürgerlichkeit müssen wir unsere Aufmerksamkeit widmen. Es ist eine Bürgerlichkeit, die sich bei der Beurteilung sozialer Gruppen an den Maßstäben der kapitalistischen Nützlichkeit, der Verwertbarkeit und Effizienz orientiert. Damit leugnet sie die Gleichwertigkeit von Menschen, macht ihre psychische und physische Integrität antastbar und führt zugleich einen Klassenkampf von oben. Sie ist sozusagen der Transmissionsriemen gegen diejenigen, die als Ausgegrenzte definiert werden", warnt Heitmeyer. Er diagnostiziert einen Zusammenhang zwischen sich zunehmend etablierenden Abwertungsmustern und der Forderung, sozial Schwache mögen ihre kritische Lebenssituation selbst bewältigen und spricht von einem "Kontrollgewinn des autoritären Kapitalismus". Die große Gefahr: "Der entscheidende Punkt ist dabei ja, dass die Ungleichheit die Gesellschaft regelrecht zersetzt, dass der Prozess sich einschleicht und erst mal relativ unbemerkt verläuft, weil sich eben keine protestierenden Kollektive mehr bilden können und weil auch keiner mehr zuhört. Weil vielfach das Motto lautet: Rette sich, wer kann. Dadurch ist das Leben in bestimmten sozialen Gruppen auch permanent angstdurchsetzt und verätzt. Und das macht diese Ungleichheiten schon ziemlich gefährlich." In meinen Augen wird es Zeit, diese subtilen Prozesse, die häufig aus falsch verstandener political correctness ignoriert werden, ganz offensiv zu thematisieren. Einfach Lösungen wird es nicht geben, wohl aber die Chance, Minen, die von einem Großteil der Bevölkerung bisher kaum als solche erkannt werden, auf lange Sicht kontinuierlich zu entschärfen.
Rette sich, wer kann, taz 27.2.12

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