In einem umfassenden Bericht erörtert die Zeit die neuesten wissenschaftlichen Ansätze zum Thema Wachstum und zeigt dabei, dass die heutige Wachstumsgläubigkeit noch gar nicht so lange in den Köpfen verankert sind. Schön ökonomische Vordenker wie John Maynard Keynes und Ludwig Erhard warnten davor, dass die Wachstumspotenziale der Wirtschaft endlich seien und die "Expansion des Materiellen" (Erhard) kein Heilsbringer ist. In Frankreich wächst bereits die Bewegung der decroissance, der Wachstumsverweigerung, und Österreich macht sich auf die Suche nach Wegen zu einer "menschlichen Marktwirtschaft". Nachdem der französische Präsident Sarkozy Wirtschaftskoryphäen wie die Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Amartya Sen dazu aufgefordert hatte, alternative Modelle zum BIP als Wachstumsmaß zu entwickeln, hat nun die OECD diese Initiative weitergeführt und will 2011 neue Indikatoren zur Debatte stellen. Die Idee: Werden auch Aspekte wie Lebensqualität oder ökologische Komponenten in die Betrachtung einbezogen, verändert sich zwangsläufig die Bewertung von Wachstum. Der von deutschen Ökonomen entwickelte "Neue Wohlfahrtsindex" (NWI) illustriert dies bereits eindrücklich. Er fiel viele Jahre lang, obwohl das Sozialprodukt gestiegen ist - weil er auch Faktoren wie Umweltzerstörung einbezieht. Bis Erkenntnisse wie diese zu einem nachhaltigen Bewusstseinswandel führen, wird wohl noch geraume Zeit ins Land gehen. Zeit, die wir nur bedingt haben, denn mit dem World Overshoot Day - einer Messgröße des Global Footprint Network, die zeigt, ab welchem Tag im Jahr der Ressourcenverbrauch die jährlich dauerhaft nutzbare Kapazität der Erde zur Regeneration dieser Ressourcen übersteigt - haben wir bereits einen Indikator, der uns die Grenzen des Wachstums eindrucksvoll vor Augen hält. 1990 war dieser Punkt am 7. Dezember erreicht - Ressourcen und Verbrauch lagen also noch recht dicht beieinander. Dieses Jahr markierte bereits der 21. August den Overshoot Day - seitdem leben wir auf Pump.
Sind das Spinner?, Die Zeit 23.9.10
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