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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Wenn die Digitalisierung erschöpft

Das Handwerk hat einen großen Vorteil - am Ende des Tages sieht man nicht nur, was man geleistet hat, man kann es sogar anfassen. Die eigene Leistung wird so ganz manifest in der wirklichen Welt sichtbar. Das Gefühl, das man dabei empfinden kann, nennt der Psychologe Stephan Grünewald "Werkstolz". Und genau dieser drohe, unter den Vorzeichen der wachsenden Digitalisierung mehr und mehr unter die Räder zu kommen. "In der digitalen Welt wird oft an abstrakten Objekten gearbeitet, da stellt sich dieser Stolz nicht so direkt ein. Hier haben wir oft das Gefühl, viel gemacht, aber wenig erreicht, nichts Ganzes entwickelt zu haben. Der Werkstolz wird dann durch einen Erschöpfungsstolz ersetzt. Man ist stolz auf den Grad der Erschöpfung, den man sich am Tag erarbeitet hat. Erschöpfung wird dann zum Gradmesser für die Produktivität", spitzt der Psychologe die Situation zu. Ein weiterer Punkt, der dem Psychologen Sorgen bereitet, ist die zunehmende Fragmentierung des Arbeitens, die zu einer Fluidität führe, die Orientierung raubt und manchem den Boden unter den Füßen wegzieht. "Eine rein digitale Welt wird auf Dauer nicht funktionieren. Beim Arbeiten nimmt nicht nur das Tempo stetig zu, wir sehen auch eine immer weitergehende Segmentierung und Fragmentierung. Übergänge zwischen verschiedenen Gewerken, Qualifikationen und Kompetenzen verflüssigen sich. Der einzelne Mensch muss aufpassen, dass er dabei nicht ertrinkt. Den Unternehmen kommt dann die Aufgabe zu, dass sich ihre Beschäftigten beim Arbeiten wieder ganzheitlich erleben können. Dies gelingt durch ritualisierte Zusammenkünfte auf der Arbeit, etwa durch Projektpräsentationen, aber auch durch gemeinsame Mittagessen", so Grünewald. Ich finde es fraglich, dass sich durch kleine Goodies dieser Güteklasse diese empfundenen Erscheinungen von Auflösung kompensieren lassen. Vielleicht sollten wir mehr darüber nachdenken, wie Arbeit wieder zu einem wirklich ganzheitlichen Erleben führen kann. Das würde natürlich auch bedeuten, Aspekte wie Effizienz und Effektivität nicht mehr allein im Hinblick auf finanzielle Interessen zu betrachten, sondern auch daraufhin, welche Auswirkungen für das Wesen Mensch damit verbunden sind.
"Eine rein digitale Welt wird auf Dauer nicht funktionieren", spiegel.de 4.9.20

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