Der Verhandlungsmarathon zu Griechenland hat wieder einmal gezeigt, wie viele existenzielle Entscheidungen in der Politik unter den Vorzeichen der Übermüdung getroffen werden. Damit sind die Politiker nicht allein, denn schätzungsweise ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung schläft regelmäßig weniger als sechs Stunden und schleppt sich so mit permanentem Schlafmangel durch den Job. Verlangsamte Reaktionsfähigkeit kann in Berufen, in denen es auf Schnelligkeit ankommt, schnell - und offensichtlich - dramatische Auswirkungen haben. Im Politbetrieb sind wir mit der Beurteilung meist milder, und das, obwohl die Auswirkungen von Schlafentzug mit einem leichten Alkoholrausch vergleichbar sind. " Der Unterschied liegt darin, dass wir Entscheidungen von alkoholisierten Politikern oder Managern für absolut verantwortungslos hielten, während für nächtliche Verhandlungsrunden eine große Akzeptanz besteht. Solche Leistungen werden verstanden als Aufopferung. Ob Entscheidungsfindungen in der Nacht eine gute Idee sind, wird gar nicht hinterfragt", erklärt der Sozialpsychologe Jan Häusser. Wenngleich also eher widersinnig, können Verhandlungen, die unter akutem Schlafmangel geführt werden, auch strategische Gründe haben: "Da kann es darum gehen, die Gegenseite zu zermürben. Aber auch darum, der Öffentlichkeit zu signalisieren: Wie reiben uns auf für euch." Vielleicht fängt mehr Wachheit im öffentlichen ja einfach mit mehr Schlaf an. Aber vielleicht ist das auch zu einfach.
"Die Gegenseite zermürben", KarriereSpiegel 20.7.15
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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