Seit der französische Soziologe Pierre Bourdieu uns mit seiner Untersuchung über die "feinen Unterschiede" deutlich machte, dass auch Konsum ein wunderbares Mittel zur Statusdistinktion ist, wissen wir, wie viel es über uns aussagt, welche Marken wir kaufen und wie viel wir uns von etwas leisten. In Zeiten der Krise stellt sich jedoch für immer mehr Menschen nicht mehr nur die Frage: Alnatura oder Aldi? Denn wer mit kleinsten Budgets auskommen muss oder gar HartzIV-Leistungen bezieht, für den wird oft schon der Waschmittelkauf zum Problem - weil eine Großpackung, die drei Monate reicht, leicht das Wochenbudget auffrisst. Der Konzern Unilever kündigte nun an, auch in Europa kleinere Packungsgrößen für seine Produkte einzuführen. Ein Schritt, durch den sich die taz an die "Dritte Welt" erinnert fühlt: "Die kleine Packung wird zur Verkörperung der Krise. Diese kleinen Packungen gab es früher nur anderswo. In Afrika. In Asien. Vielleicht auch in Lateinamerika. Aber jetzt kommen sie also auch nach Europa, nach Spanien, Griechenland, Italien. Nach vier Jahren Finanzkrise sind „wir“ also soweit. „Wir“ sind also jetzt auch Afrika. Da klingt die Hintergrundmelodie vom Abstieg Europas an." Ist das der neue Konsum 0.5? Sicher zeigt der Schritt von Unilever, dass nun auch europäische Märkte in Sachen Konsum keine anything goes Arenen mehr sind. Aber letztlich haben kleinere Verpackungsgrößen auch etwas Positives. Die wachsende Zahl der Single-Haushalte wird sich sicherlich ebenfalls über die neuen Angebote freuen, denn wem immer die letzten zwei Scheiben Käse in der Packung verschimmeln, weil er mit dem Essen einfach nicht nachkommt, der ist dankbar, wenn künftig statt 150 Gramm vielleicht nur noch 75 Gramm in der Verpackung stecken.
Eine kleine Packung, bitte, taz 28.8.12
© Dr. Nadja Rosmann 2024
Impressum / Datenschutz
Weitere Beiträge im Blog
- Klima-Angst und möglicher Job-Verlust
- Wohlstand lässt Jugendliche unglücklicher sein
- Stress ist Gift für Unternehmen
- Führungskräfte sind ein wesentlicher Bindungsfaktor
- Warum Nein-sagen manchen so schwer fällt
- Ein Loblied auf die Vier-Tage-Woche
- Arbeiten bis zum Umfallen war gestern
- Braucht es Goodies, um die Rückkehr ins Büro schmackhaft zu machen?
- Im Job wird von Frauen mehr erwartet
- Ist das Glück näher, als wir denken?
- Schlaf lässt sich weder erzwingen noch herbeimessen
- Power im Job fängt beim Essen an
- Schöne Alltagsmomente machen das Leben bedeutungsvoll
- Fast alle wollen einen ordentlichen Feierabend
- Viele wollen weniger arbeiten