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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Stress wird früher erkannt, aber bleibt ein großes Thema

Fast kein Monat vergeht, in dem nicht neue Zahlen belegen, dass der Stresspegel der Bevölkerung wächst. Eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag an das Arbeitsministerium Mitte des Jahres etwa verdeutlicht: Jedem fünften Arbeitenden gelingt es nicht, die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten zwischen Arbeitseinsätzen einzuhalten. Und fast ein Drittel hat keine Möglichkeit, sich die gesetzlich festgelegten Ruhepausen während der Arbeitszeit zu gönnen. Die gute Nachricht - da Stress so allgegenwärtig ist, werden Menschen auch im Umgang damit sensibler. Markus Heinrichs, Leiter einer Stressambulanz in Freiburg, etwa hat in den letzten 20 Jahren bemerkt, dass Menschen sich heute bereits Hilfe suchen, wenn sie noch nicht völlig ausgelaugt sind oder gar einen Zusammenbruch haben. Besonders gefährdet von überbordenden Anforderungen ist seiner Erfahrung die so genannte Sandwichgeneration, Menschen zwischen 30 und Mitte 40, die im Beruf durchstarten, aber gleichzeitig im Privatleben großes zu stemmen haben wie Familiengründung oder Hausbau. Da werde der erlebte Stress leicht chronisch, und das könne gefährlich sein: "Stressreaktionen kann man gut mit standardisierten Stresstests messen, bei denen wir unter anderem Herzrate, Blutdruck, das Stresshormon Kortisol oder auch psychologische Parameter wie Ängstlichkeit messen. Bei einer gesunden Person sollte dieser Pegel nach einer Stresssituation wieder schnell sinken. Chronisch gestresste Personen sind viel zu lange hochreguliert. Die kriegen diese Gedanken auch nicht los, wenn etwas nicht geklappt hat. Es gibt auch einen Extremfall: Manche Dauergestresste reagieren gar nicht mehr auf eine solche Situation. Die sind einfach zu erschöpft für eine biologische Stressreaktion." Heinrichs sieht seine Ambulanz nicht als Reparaturbetrieb. Ihm und seinen Mitarbeitenden geht es darum, Menschen wieder ein gesundes Leben zu ermöglichen. "Wir machen eine umfangreiche Diagnostik und folgen keinem unrealistischen Lebensstil. Zynisch gesagt: Es ist nicht unsere Aufgabe, dass wir Leute fitschrauben für die schrecklichsten Arbeitsbedingungen. Ein Therapieziel kann auch sein, herauszufinden, wie jemand wieder ein zufriedenes Leben führen kann", sagt er. Zufriedenheit kann auch bedeuten, nicht zu versuchen, jeder noch so unrealistischen Leistungserwartung hinterherzuhecheln. Gleichzeitig erfordert das viel Seelenstärke in einer Arbeitskultur, die nach immer mehr Einsatz verlangt. Vielleicht führt die Tatsache, dass immer mehr Menschen dem dauerhaft nicht standhalten können, aber auch dazu, dass sich langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass menschliche Leistungsfähigkeit natürlichen Grenzen unterliegt.
„Vor allem Leute in der Sandwichgeneration leiden unter chronischem Stress“, Wirtschaftswoche 16.8.2022

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