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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Vom differenzierten Egoismus - in der Wirtschaft wie im Leben

Der Beitrag ist zwar fast einen Monat alt, aber ich finde ihn so interessant, dass ich heute noch einmal darauf zu sprechen kommen möchte. In ihrer Reihe "Der Sonntags-Ökonom" berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Anfang Dezember über verschiedene neurologische Experimente, die - wieder einmal - das in den Wirtschaftswissenschaften zwar immer noch verbreitete, aber auch zunehmend hinterfragte Modell des Homo oeconomicus in Frage stellen. Dieses Modell geht von einem rationalen Eigennutz aus, demzufolge der in der Wirtschaft handelnde Mensch mit Kalkül seinen Eigennutz maximiert. Das von der FAS beschriebene Experiment kratzt einmal mehr an dieser Theorie. Zwei Versuchspersonen sollten Aufgaben lösen und wurden für jede richtige Antwort belohnt. Sie erfuhren auch die Ergebnisse ihres Gegners. Der Clou: Beide Probanden erhielten bei richtigen Antworten Belohnungen in unterschiedlicher Höhe und konnten sich aufgrund des Wissens um die Gratifikation ihres Konkurrenten mit ihm direkt vergleichen. Ergebnis: Lag ein Spieler mit seiner Antwort richtig, der andere aber falsch, reagierte das Belohnungszentrum des Gewinners mit besonders hoher Aktivität. Gaben beide die richtige Antwort, war die Aktivierung umso stärker, je höher die Belohnung im Vergleich zum Konkurrenten ausfiel. Das Ergebnis zeigt: Erfolg allein ist uns nicht genug, selbst wenn wir finanziell davon profitieren. Im Vergleich mit anderen, die es vielleicht "besser" haben als wir, schmilzt die eigene Euphorie leicht zusammen. Vor diesem Grund wird auch plausibel, warum sehr gut verdienende Politiker so viel Energie darauf verwenden, die Höhe von Managergehältern nach oben begrenzen zu wollen. Und warum eine solche Begrenzung im Zweifel die breite Masse, die vielleicht relativ gut verdient, damit dennoch keinen Frieden finden wird, denn auch dann ist gut nicht gut genug. Die Frage, wie viel wir - finanziell, materiell, ideell - wirklich brauchen, um Zufrieden zu sein, stellen wir uns in solchen Vergleichen nur allzu selten. Statt bei uns und unseren eigenen, primären Bedürfnissen zu bleiben, verstricken wir uns immer wieder in einen Wettstreit, den wir nie gewinnen können, denn immer wird sich jemand finden, dem es nach unseren Kriterien "besser" geht. Mit diesem Gedankengang geht es mir nicht darum, extreme gesellschaftliche Ungleichheit kritiklos zu akzeptieren. Wohl aber ist die Frage angebracht, wie viel Neid wohl hilfreich sein kann. Die Neurobiologie löst dieses Problem nicht, denn für die Gehirnforscher sind viele Prozesse, die sie in ihren Tomographen abbilden, Automatismen, auf die der Mensch keinen direkten Einfluss hat. Genau diese Annahme aber sollten wir, genau wie das Modell vom Homo oeconomicus, vielleicht einmal in Frage stellen. Verschiedene Studien zum Thema Meditation zeigen nämlich immer wieder, dass wir durchaus in der Lage sind, unsere Gedanken und Emotionen, die zunächst wie Reflexe aus dem Bewusstsein aufsteigen, aus einer Position des Beobachters heraus zu betrachten - und genau das ist der erste Schritt zu Veränderung und einem anderen Denken.
"Der Sturz des Homo oeconomicus", FAS 9.12.2007

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Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

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