Der Mindestlohn ist sicherlich eine Errungenschaft unserer Zeit. Doch ein Blick auf Arbeitsmarkt und Lebensumstände zeigt auch, dass Maßnahmen wie diese nur bedingt dazu beitragen, dass Menschen wirklich von ihrer Arbeit leben können. Julia Friedrichs gehört zu jenen, die seit Jahren darüber aufklären, wie sehr sich in den letzten Jahrzehnten die Wirkkraft der Erwerbstätigkeit verschoben hat. Früher fühlten sich nachkommende Generationen in der Sicherheit, mit hoher Wahrscheinlichkeit später einmal mehr Geld verdienen zu können als die eigenen Eltern. Für die nach 1980 Geborenen erfüllt sich diese Hoffnung nur noch in 50 Prozent der Fälle, analysiert Friedrichs. Gleichzeitig verschiebt sich die Quelle von Einkommen für viele Menschen immer mehr in Richtung Vermögen. Doch in Deutschland hat nur etwa die Hälfte der Bevölkerung überhaupt etwas auf der hohen Kante. "In den Siebzigern waren Finanzwirtschaft und Realwirtschaft gleichauf. Inzwischen ist die Finanzwirtschaft auf das Vierfache angeschwollen. Das heißt, Kapital wird wichtiger, immer mehr Menschen beziehen Einkommen aus Kapital, aber das ist halt schlecht für die, die kein Kapital haben", erklärt Friedrichs im Deutschlandfunk. Wo ein Staat sich weiterhin hauptsächlich aus Abgaben auf Arbeit und Konsum finanziert, wird hier die Lücke zwischen jenen, die viel haben, und jenen mit nichts, immer größer. Was Friedrichs bei ihren Recherchen immer wieder herausfindet: Die heutige Working Class hat im Gegensatz zur früheren Arbeiterklasse kaum noch ein Bewusstsein, dass sie eigentlich eine Gruppe mit gemeinsamen Interesse sein könnte. Dem Individualismus sei Dank kämpft ihrer Wahrnehmung nach heute fast jeder nur für sich selbst, was kein guter Ausgangspunkt ist, um gemeinsam etwas in größerem Stil zu verändern.
Warum das soziale Aufstiegsversprechen nicht mehr funktioniert, Deutschlandfunk 27.2.21
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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