Kleider machen Leute - auch beim Betteln
Unser Mitgefühl mit anderen Menschen und unsere Bereitschaft, ihnen zu helfen, hängt nicht unwesentlich davon ab, wie sehr wir uns innerlich mit den Hilfesuchenden verbinden können. Eine neue amerikanische Studie zeigt, dass sich dies auch im Umgang mit Bittstellern zeigt, die auf der Straße um Geldgaben ersuchen. Die Wissenschaftler hatten in den Straßen von New York und Chicago damit experimentiert, ob es einen Einfluss auf die Spendenbereitschaft hat, wie sich die Hilfesuchenden präsentieren. Einmal trug der Wissenschaftler, der am Straßenrand mit einem Pappbecher um Spenden für Obdachlose warb, schlichte Jeans und ein T-Shirt, ein anderes Mal trat er im gepflegten Anzug auf. Insgesamt war die Resonanz der Passanten in beiden Fällen etwa gleich gering - von rund 4.500 Personen, die vorbeigingen, ließ sich nicht einmal jede 50. zu einer kleinen Spende erweichen. Doch die unterschiedliche Kleidung des Bittstellers machte einen Unterschied, denn mit Anzug und Krawatte erhielt er die 2,5-fache Summe. Und Gaben von fünf Dollar oder sogar mehr erhielt er ausschließlich, wenn er Anzug trug. In einer Befragung der Passanten wurde deutlich: Kleider machen Leute, denn die Menschen empfanden den Anzugträgerals kompetenter, warmherziger und sogar menschlicher und sie konnten sich besser mit ihm identifizieren. Für die Wissenschaftler zeigt dies, dass unser Mitgefühl nicht zuletzt davon abhängt, wie leicht wir uns mit Menschen und ihrem Leid verbinden können.
Anzugträger bekommen mehr Geld, spektrum.de 7.1.2023