think.work.different

Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
Impressum / Datenschutz

Selbstüberschätzung von Studierenden

Es gibt Berufszweige, in denen die dort Arbeitenden in besonderer Weise von sich selbst, ihrer Bedeutung und ihrer Leistungsfähigkeit überzeugt sind. Und womöglich wird der Same dafür schon in der Zeit an der Universität gelegt. Die FAZ jedenfalls lässt sich in einer Kolumne recht bissig über die an Selbstüberschätzung grenzenden Selbstbilder von BWL-Studierenden aus. Der Kommentar wittert Selbstbeweihräucherung: "Derzeit geistert der High Performer durch die Flure der ökonomisierten Bologna-Universität. In der Wirtschaft schon lange zu Hause, erobert er sich in den Hochschulen neues Terrain. High Performer heißt so viel wie Leistungsträger, meint also jene, die von sich glauben, überdurchschnittlich viel zu leisten. Zwar denken das aktuell vor allem BWL-Studenten, mit mehr als 240 000 an der Zahl sind das aber eine Menge. Das mit Abstand beliebteste Studienfach Deutschlands setzt Maßstäbe, und die stehen für viele Studenten nicht mehr im Zeichen eines abstrakten Bildungsgedankens, sondern im Sinne der klaren Karriereorientierung." Vielleicht ist es aber auch umgekehrt? Liest man nämlich die Beschreibung der FAZ, was diese High Performer ausmacht, ahnt man, dass diese sich schlicht sehr weitreichend die Anforderungen des Arbeitsmarktes zu eigen gemacht haben: "Der High Performer unterwirft die Welt der linearen Kausalität des Geldverdienens. Wer etwa besonders gesund lebt, kann sich beim Lernen besser konzentrieren und schreibt so bessere Noten. Ein besseres Zeugnis bedeutet einen besseren Lebenslauf, heißt einen tollen Job und damit unglaublich viel Kohle. Die Idee vom High Performer verschiebt den Fokus des Studenten vom Denken auf das Machen. Es geht nicht mehr um das, was im Kopf passiert, sondern ausschließlich um nachweisbare Erfolge auf dem Papier." Letztlich geht es vielleicht gar nicht so sehr um die Studierenden, sondern mehr darum, welche Bilder eines erstrebenswerten Lebens und dienlicher Leistung wir in die Welt bringen, verbreiten und leben. "Der High Performer ist so der Totengräber der ursprünglichen Idee der Universität. Wörtlich gesehen, ist er jemand, der ständig performen muss, also Leistung zu bringen hat. Zeiten der produktiven, langen Weile sind ihm fremd. Es gibt ihn nur im Präsens: im stetigen Tun mit kalkuliertem Nutzwert", schreibt die FAZ. Aber haben sich nicht gerade die Universitäten mit der Bologna-Reform in genau diese Richtung schon seit Jahren bewegt? Wer ständig Credit Points hinterherhecheln muss, weil er sonst die ihm zugestandene Studiendauer überschreitet, muss wohl immer produktiv sein. Und, falls er/sie sich die Bildung mit Kredit finanziert, auch früh nach den späteren Gegenwerten schielen. Es geht nicht um BWL, letztlich geht es darum, in welcher Welt wir leben möchten und welche Anreize wir auch im Bildungssystem vermitteln.
Hohler Kürbis, FAZ 21.8.2022

Stacks Image 3
Stacks Image 3
Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

Anzeige

evolve - Magazin für Bewusstsein und Kultur, Ausgabe Februar bis April 2023 mit dem Thema Re-Generation - Anfänge einer neuen Kultur

Anzeige