Die ständige Erreichbarkeit via Handy oder E-Mail setzt Beschäftigte unter Druck, denn wer stets verfügbar sein soll, kann kaum einmal abschalten. In Brasilien wurde nun ein Gesetz erlassen, demzufolge die Bearbeitung von Mails außerhalb der regulären Arbeitszeit wie Überstunden honoriert werden muss. Die Süddeutsche Zeitung hat im Gespräch mit Arne Gattermann, beim Bitkom zuständig für Personal- und Arbeitsrecht, eruiert, welche Regelungen in Deutschland diesbezüglich bestehen. Gattermann verweist vor allem auf das Arbeitsrecht und die geschlossenen Arbeitsverträge - beide regeln sowohl die Wochenarbeitszeit als auch die vom Arbeitnehmer zu gewährende Verfügbarkeit. Grundsätzlich müssten Arbeitnehmer, wenn es keine expliziten Regelungen im Arbeitsvertrag gibt, nicht außerhalb der Arbeitszeiten auf Handyanrufe oder E-Mails reagieren, meint der Experte. Der Arbeitsrechtler kritisiert die ständige Habachthaltung rund um die Uhr: "Das hat zur Folge, dass keiner mehr abschalten kann, weil man immer damit rechnet, dass man sich zu einer Frage äußern muss oder jemand einen erreichen will." Das Brasilien-Modell hält er für wenig zielführend, denn: "Das neue Gesetz in Brasilien, also eine höhere Bezahlung, senkt den Stressfaktor auf jeden Fall nicht. Geld nimmt Mitarbeitern nicht den Stress von den Schultern. Da wäre es sinnvoller aufzuzeigen, dass man einfach nicht ständig erreichbar sein muss. Das Modell von VW, eine Art E-Mail-Stop, ist insofern sinnvoll, weil man die Mails dann einfach nicht bekommt, auf die man vielleicht noch reagieren könnte. Klare Regeln, die die Erreichbarkeit zeitlich begrenzen, wären aber ebenso effektiv.‬" Der wunde Punkt: In vielen Unternehmen hat sich - ohne vertragliche Regelungen - der permanente Präsentismus bereits eingebürgert und ist zum Teil der Unternehmenskultur und des Selbstverständnisses leistungsbereiter Mitarbeiter geworden. Wer sich hier ausklinken möchte bzw. sich auf die Regelungen des Arbeitsvertrages beruft, gerät nur allzu leicht als "schwarzes Schaf" ins Abseits.
"Eine höhere Bezahlung senkt nicht den Stressfakto!", SZ 2.2.12
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