Nokia: Lehrstück in Sachen Diversity
Die Ankündigung der Nokia-Führung, das Werk in Bochum zu schließen, zog einen Aufschrei der Entrüstung nach sich. Dabei spielten nicht nur die kommunizierten Fakten an sich eine Rolle, sondern auch, dass das Unternehmen Mitarbeiter und Öffentlichkeit quasi ohne Vorwarnung mit vollendeten Tatsachen konfrontierte. Ein Faux pas, den das Nokia-Management hätte vermeiden können, wenn es sich im Vorfeld Klarheit darüber verschafft hätte, dass sich Deutsche und Finnen in ihren Führungskulturen erheblich unterscheiden. In einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung erklärt Risto E. J. Penttilä, Direktor von "Elinkeinoelämän Valtuuskunta" (EVA), dem Finnischen Business- und Politikforum in Helsinki, warum das für die Finnen nicht ungewöhnliche Vorgehen in Deutschland als brachialer Akt wahrgenommen wurde. Penttilä legt dar, dass die Finnen - nicht zuletzt aufgrund ihrer kulturellen und geschichtlichen Entwicklung - sehr großen Wert auf das richtige Handeln zur rechten Zeit legen. Unpopuläre Maßnahmen sind in den Augen vieler Finnen nur halb so schlimm, wenn sie mit Entschiedenheit umgesetzt werden. So ist es für viele finnische Manager völlig normal, nach dem Treffen einer Entscheidung den Teams, die sie umsetzen, völlig freie Hand zu lassen und alle Beteiligten einzubinden. Der Entschluss selbst ist dagegen Chefsache, frei nach dem Motto "Lieber handeln als reden". Was in finnischen Augen Handlungsstärke ausdrückt, ist für viele Deutsche dagegen ein völliger Affront. Die Frage ist, ob ein besserer Blick der Finnen für Diversity-Fragen etwas am Ergebnis geändert hätte, denn - und hier sind die Finnen in bester internationaler Gesellschaft - Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer werden nun einmal gegenwärtig von allen Konzernen als probates Mittel erachtet, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Vielleicht würde es sich lohnen, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht auch andere Mittel und Wege gibt.
"Lieber handeln als reden", SZ 21.1.2008