Die Welt schlägt mit einem Beitrag des Wirtschaftsphilosophen Gerd Habermann ein neues Kapitel in Sachen Sozialdarwinismus auf. Habermann kritisiert vehement die Hartz IV-Politik und propagiert ein ganz eigenes Bild von Menschenwürde: "Man ist nicht unfrei, wenn man ärmlich leben muss – Freiheit verstanden als Freiheit vom willkürlichen Herumkommandiertwerden durch andere Menschen!" Die Tatsache, dass viele ehrliche Arbeitssuchende sich zum Teil seit Jahren um neue Jobs bemühen, aber scheitern, weil der Arbeitsmarkt trotz der aktuellen Visionen einer neuen Vollbeschäftigung schlicht nicht genug her gibt, blendet er dabei aus - ebenso, dass auch diese Millionen Redlichen der Arbeitsagentur permanent Rede und Antwort stehen müssen, Bewerbungen schreiben sollen selbst dort, wo es keinen Sinn macht und kein Erfolg zu erwarten ist, und in Sachen sozialer Teilhabe am Rand der Gesellschaft stehen. Habermann kontert, dass die heutigen Zeiten geradezu komfortabel seien, denn: "Im 19. Jahrhundert galt es dagegen als menschenwürdig, gerade nicht auf öffentliche Kosten zu leben. Vor 1918 entzog man Unterstützungsempfängern sogar das Wahlrecht (übrigens auch den „Bankrotteuren“). Da sind wir heute milder." Bei aller Milde, Druck muss sein. "Zur Menschenwürde gehört auch, dass der Mensch zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung fähig ist und sich beschämt fühlt, wenn er auf Kosten anderer Leute, sei es auch über Staatsgeschenke, leben muss. Den Empfängern solcher Geschenke ohne Gegenleistung darf es nicht erspart bleiben, diese Situation als schmerzlich zu empfinden. Eben dies spornt an, aus dieser unwürdigen Lage wieder herauszukommen", so Habermann weiter. Der Philosoph wettert gegen Ideen wie die des Grundeinkommens, die seiner Meinung nach die Almosenhaltung der BürgerInnen nur zementiere. Vor lauter Hetze gegen die Sozialbürokratie, die sich nach Habermanns Ansicht durch das Sozialsystem noch Karrieren zimmere, vergisst er dabei, dass es gerade das Anliegen des Grundeinkommens ist, diese abzuschaffen, denn wo niemand mehr gegängelt wird, um halbwegs überleben zu können, braucht es auch keine Verwalter des Fiaskos minimierter gesellschaftlicher Teilhabe ...
Ein seltsames Recht, auf Kosten anderer zu leben! Die Welt 30.10.10
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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