In einem Interview mit dem Verhaltenstherapeuten Nico Niedermeier geht die Zeit der Frage nach, wie wir der kollektiven Erschöpfung, die sich zunehmend auf der gesellschaftlichen Ebene abzeichnet, entgegenwirken können. Ein nicht zu unterschätzendes Problem dabei ist, das diese Art der Problemlage, obwohl sie längst ein Massenphänomen darstellt, immer noch individualisiert wird. Damit werden die, die an den äußeren Umständen wie wachsender Arbeitsverdichtung und erhöhtem Leistungsdruck leiden, zunächst einmal auf sich selbst zurückgeworfen, da es - bisher zumindest - keine kulturell verankerten Bewältigungsstrategien gibt. Niedermeier rät, sich zu fragen: "Was kann ich selbst für mich tun?" "Die Welt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten extrem verändert. Durch die Globalisierung sind in manchen Branchen der Arbeitsdruck und das Arbeitstempo stark gestiegen, Die Zukunftsaussichten sind unsicher geworden. Parallel dazu verändern sich unsere sozialen Bindungen. Wir vereinzeln immer mehr. Wir lassen die Religion hinter uns, althergebrachte Familienstrukturen oder auch Freundschaften. Und bei alldem steigen die individuellen Ansprüche. Wir haben den Eindruck, wir müssten körperlich bestens in Form sein, Sport treiben, Spaß haben, abends ins Theater gehen – und dabei noch freudig 60 Stunden in der Woche arbeiten", beschreibt der Therapeut die ungesunde Mischung aus äußeren Anforderungen und hausgemachtem Stress. Sein Gegenrezept: "Wir leben in einer Welt, die nahezu jede Form von Kontemplation vollkommen abgeschafft hat – genau die wäre aber manchmal sinnvoll, um seelischer Erschöpfung vorzubeugen. Entspannungstrainings können helfen; wichtig ist auch Bewegung, um den hohen Adrenalinspiegel zu senken, der bei vielen zum Dauerzustand geworden ist."
"Extrem viel Adrenalin", Die Zeit 6.12.11
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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