Die Wirtschaftswoche geht in einem umfangreichen Artikel der Frage nach, warum der Mensch sich mit dem Wandel so schwer tut. Neuere neurologische Studien erklären den Hang zum Festhalten am Gewohnten mit der Funktionsweise des Gehirns. Allein um eine kleine Körpergeste wie das Falten der Hände zu verändern, braucht der durchschnittliche Mensch etwa zwei Wochen, bis der neue Bewegungsablauf sich im Gehirn verankert hat. In der Umstellungsphase signalisiert das Gehirn unablässig Alarm - ein Begleitumstand, der Wandel oft zu einem unangenehmen Erlebnis werden lässt. Dass diese Mechanismen selbst in lebensbedrohlichen Situationen wirksam sind, macht die Sache nicht leichter. Das US-Magazin "Fast Company" machte unter dem Motto "Change or Die" - verändere dich oder stirb - vor einigen Jahren einen Test, der dies eindrucksvoll belegt. Die Befragten wurden damit konfrontiert, dass sie ihr Leben von ihr auf jetzt vollständig umkrempeln müssten, um nicht zu sterben. Beruf, Beziehungen, Familie, privates Umfeld, Lebensgewohnheiten - alles sollte zur Disposition gestellt werden. Neun von zehn Befragten der Studie konnten das nicht - selbst diejenigen, die bereits einige Bypässe hatten und der gesundheitlichen Bedrohung ins Auge sahen. Auch weniger umfassende Veränderungen lassen viele Menschen zurückschrecken. Eine EU-Studie von 2008 beispielsweise zeigt, dass Arbeitnehmer hierzulande lieber lange Wege zur Arbeit in Kauf nehmen, als umzuziehen - 41 Prozent nehmen deshalb eine tägliche Fahrzeit von mindestens zwei Stunden in Kauf. Wissenschaftler weisen immer wieder darauf hin, dass wir umso wandlungsfähiger sind, je häufiger wir positive Erlebnisse mit Veränderungen verknüpfen können. Wer also in einer angstvollen Situation feststeckt, wird aller Voraussicht nach deutlich weniger wandlungswillig sein als ein Mensch, der schon viele Veränderungssituationen mit Erfolg gemeistert hat. Diese menschliche Grunddisposition zeigt: Gerade in schwierigen Situationen mit besonders großen Herausforderungen, die viele Menschen als bedrohlich empfinden - wie der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise - sind die Hürden für den - dann akut notwendigen - Wandel am höchsten.
Wie viel Flexibilität ist möglich? WiWo 17.5.10
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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