In der Wirtschaftswoche spricht der Philosoph Dieter Thomä sehr eindringlich darüber, wie unsere Vorstellungen von der Konsumgesellschaft und unsere Unfähigkeit, herauszufinden, was uns wirklich Glück schenkt, ins Abseits führen. Thomä mahnt zu einem "Lebens-Wandel", in dessen Rahmen wir unsere Wahrnehmungsgepflogenheiten grundsätzlich in Frage stellen. Beim Thema Arbeit etwas rät der Philosoph: "Man muss in der Arbeit leben. Deshalb müssen wir all das stärken, was im Wirtschaftsleben soziale Qualität hat. Wenn man von vornherein in einen Job geht und fragt: Wann habe ich genug Geld verdient? – dann gehen bestimmte Ressourcen von Erfüllung, die in der Arbeit liegen, von vornherein verloren. Wir müssen daher lernen zu trennen zwischen sich abnutzenden und nicht abnutzenden Gütern. Kinder zu haben oder eine glückliche Ehe zu führen – das sind Dinge, die sich nicht abnutzen wie ein Auto oder ein Computer." Eine Falle birgt laut Thomä die Verwirtschaftlichung des Lebens, da wir immer mehr dazu neigen, unser gesamtes Leben im Sinne eines kapitalistischen Konkurrenzdenkens zu bewerten: "Was entsteht, wenn die Wirtschaft alle anderen Sphären infiltriert, ist das, was ich die Wut des Vergleichens nenne. Wir vergleichen uns permanent mit anderen und sehen nur noch Feinde, weil wir uns fragen: Bin ich reicher, glücklicher, schöner? Wer sich auf diese Weise vergleicht, findet keine Ruhe mehr. Der ist immer besser oder schlechter als andere." Thomä hält dieser Konkurrenzspirale die Besinnung auf Beziehungen und soziale Verbundenheiten entgegen und fordert, Unternehmen als soziale Gebilde zu betrachten, die aus den Verbindungen zwischen Menschen bestehen, Politik wieder an einer gemeinsamen Sache auszurichten und nicht als Deal-Making zu praktizieren und den persönlichen Lebensstil an der Frage zu messen, ob er wirklich erfüllend ist.
Ziemlich irrer Lebensstil, WiWo 15.8.10
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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