In einem Interview mit Spiegel online erklärt Buchautorin Bettina Wündrich, warum viele Frauen vor einer konsequenten Karriere zurückschrecken. Die Medienfrau, die mehr als 20 Jahre im Verlagswesen in Führungspositionen aktiv war und seit zwei Jahren selbstständig ist, erkennt bei vielen Frauen einen Hang zur Selbstbeschränkung. Überstunden, Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit und Ellbogen-Mentalität sind laut Wündrich nach wie vor für viele Frauen ein guter Grund, keine exponierten Positionen anzustreben. Sie selbst plädiert hingegen dafür, auch die positiven Seiten der Karriere bewusster wahrzunehmen: "Man muss auch mal mit dem ganzen Karrierethema anders umgehen. Es geht ja nicht nur ums Hartsein und Entscheidungen fällen. Es geht auch darum, Gestalter des eigenen Lebens zu sein. Und das ist großartig. ... Ich habe das Bedürfnis, etwas zu tun, für das ich brenne. Und mich selbst zu fordern, auszuprobieren, an meinen Schwächen zu arbeiten: Mein Weg ist da, wo die Angst sitzt. Und natürlich Ehrgeiz. Ich versteh' gar nicht, warum diese Eigenschaft so negativ besetzt ist. Ehrgeiz bedeutet doch einen starken Drang, sich weiterzuentwickeln." An dieser Einschätzung ist natürlich viel dran, aber: Die in den letzten Wochen exorbitant gewachsene Diskussion über das Thema Burn-out und zahllose Studien zu den Systemzwängen im Business illustrieren auch, dass die von Wündrich erwähnten Gestaltungsfreiheiten oft kaum vorhanden sind. Und dann bedeutet Karriere oft auch Selbstaufgabe oder der Kampf gegen Windmühlenflügel. Ich finde es ansatzweise sogar gefährlich, immer wieder auf der individuellen Schiene zu argumentieren, denn das lenkt von der Frage ab, wie sich das Wirtschaftssystem insgesamt verändern müsste, um menschlicher zu werden. Gegen Einsatz und Ehrgeiz ist nichts einzuwenden, aber oft werden diese von Arbeitgebern nur allzu leicht missbraucht.
"Männer zu Erziehungsurlaub verdonnern", Spiegel online 7.10.11
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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