think.work.different

Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
Impressum / Datenschutz

Wird Bionade selbstherrlich?

Die Kunden sind in Aufruhr, seit Bionade verkündete, die Preise für seine Öko-Brause zum 1. Juli um ein Drittel zu erhöhen. Hätte Unternehmenschef Peter Kowalsky damit argumentiert, dass die Rohstoffpreise in den letzten Monaten rasant gestiegen sind, hätte er sicherlich Zustimmung in seiner kritischen Zielgruppe gefunden, denn die neuen Lohas-Anhänger sind, das zeigen inzwischen verschiedene Studien, durchaus bereit, für nachhaltig produzierte Ware entsprechende Aufschläge zu zahlen. Die Preiserhöhung hat jedoch einen anderen Hintergrund. Als n-tv auf seiner Webseite die Preiserhöhung am 6. Juni erstmals vermeldete, hielt ich Kowalsky noch zugute, dass seine Äußerungen vielleicht aus dem Kontext gerissen zitiert wurden. Denn was ich dort lesen musste, verschlug mir schier die Sprache. "Das Original muss nun einmal das teuerste Produkt sein", sagte Kowalsky zu n-tv und stellte die Preiserhöhung unter anderem als Teil seiner Markenstrategie dar. Als ich nun Ähnliches in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung lesen musste, wurde klar, dass es nicht um einen journalistischen Ausrutscher geht, sondern Kowalsky in der Tat den Preisaufschlag zunächst einmal als Teil einer gezielten Abgrenzungspolitik gegenüber Nachahmerprodukten sieht. Kritische Kunden, die Bionade bisher aufgrund ihres guten Geschmacks und der Underdog-Geschichte des Herstellers zu schätzen wussten, fühlen sich durch solche Strategien berechtigterweise vor den Kopf gestoßen. Es geht dabei gar nicht darum, dass eine Flasche des Bio-Getränks künftig statt 59 Cent für 79 Cent im Regal stehen wird. Der neue Preis ist immer noch gerechtfertigt. Doch dass ein Unternehmen, das sich bisher eher unkonventionell präsentierte und mit seinem Engagement für regionale Produktion und wirtschaftliche Verantwortung große Sympathien erhielt, nun in das gleiche plump-kapitalistische Horn stößt wie viele große Konzerne, für die CSR allenfalls ein Feigenblatt ist, ist ärgerlich. Nicht, dass ich etwas dagegen habe, dass Unternehmen gute Gewinne machen. Aber warum sollte ich jemandem mehr Geld geben, nur weil er sein Produkt künftig als "Luxusartikel" positionieren möchte? Der n-tv-Artikel erwähnt ganz nebenbei, dass Bionade den Aufpreis dazu nutzen möchte, seine Präsenz am Markt ohne Fremdkapital zu stärken. Das ist ein Ziel, das ich nachvollziehen kann. Mit weiteren Erläuterungen hält Kowalsky sich allerdings zurück. Das Problem: Wenn ein Unternehmen sich als Gegenspieler der großen Konzerne positioniert und sich vom vielfach kritisierten "kalten Kapitalismus" abgrenzen möchte, braucht es aus meiner Sicht mehr als die bisherigen konventionellen Strategien. Wenn Bionade sich am Markt wie Nestlé verhält, sehe ich als Kundin jedenfalls hier keinen "Mehrwert" mehr. Die begrüßenswerten Erfolge der neuen Aufsteiger im Bio- und Öko-Markt zeigen inzwischen die Schwächen eines Wirtschaftssystems, das sich nur auf Gewinne konzentriert, immer deutlicher, denn von Akteuren, die sich im Fair-Sektor tummeln, erwartet man einfach ein bisschen mehr als die alten Argumente (wir brauchen den Profit, um zu expandieren) und die alten Strategien (also erhöhen wir mal die Preise, und die Kohle landet bei uns). Hätte Bionade die neue Strategie auf eine breitere Basis gestellt, beispielsweise durch neue Ansätze, die das herkömmliche unternehmerische Profitdenken um eine neue Vision wirtschaftlicher Entwicklung erweitern, wäre dies sicherlich ein Gewinn für alle, die mit ihrem Konsum fairere Strukturen unterstützen möchten. So aber bleibt ein übler Nachgeschmack beim "offiziellen Getränk für eine bessere Welt".
"Der Preis des Originals", FAS 15. Juni 2008

Stacks Image 3
Stacks Image 3
Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

Anzeige

evolve - Magazin für Bewusstsein und Kultur, Ausgabe Februar bis April 2023 mit dem Thema Re-Generation - Anfänge einer neuen Kultur

Anzeige