"Ich arbeite bis zum Umfallen" - ein Satz, der sicherlich bisweilen jedem Arbeitenden einmal durch den Kopf geht. In Japan ist das Schuften bis zum Tod bereits seit den 1960-er Jahren ein ernsthaftes Problem, das als Karoshi bezeichnet wird. Mittlerweile sterben dort pro Jahr rund 150 Personen an Überarbeitung. Übermäßiges Arbeiten wird in Japan gerne als kulturelles, weniger als ein krankhaftes Phänomen bezeichnet. Oft heißt es: Das Wohl der Gemeinschaft - im Arbeitsleben das der Firma - habe eben Vorrang vor individuellen Bedürfnissen. 80 oder mehr Überstunden pro Monat sind deshalb für viele Angestellte keine Seltenheit, die immer mehr Menschen mit dem Tod bezahlen. Zunehmende Rechtsstreitigkeiten (Hinterbliebene klagen auf Entschädigung) haben die japanischen Arbeitsbehörden nun dazu veranlasst zu definieren, wo die Grenze verläuft, nach der Herzinfarkte, Hirnblutungen oder Schlaganfälle aller Wahrscheinlichkeit nach auf Überarbeitung zurückzuführen sind. Das amtliche Kriterium: Wer im Monat vor seinem Tod 100 Überstunden geleistet hat oder im Laufe von sechs Monaten durchschnittlich 80 Überstunden pro Monat und an Überlastung stirbt, gilt als Karoshi-Opfer. Ein US-Konzern in Tokio wurde so bereits zur Zahlung von 56.000 Euro an die Hinterbliebenen eines Karoshi-Opfers verurteilt. So gut es ist, den Arbeitswahn genauer zu definieren, hat die neue Rechtsprechung jedoch auch gravierende Nachteile: Viele Studien zeigen, dass auch Überstunden unter der 80-Stunden-Grenze gesundheitsschädlich sind. Mit der neu gezogenen Grenze dürften sich viele Unternehmen, denen nicht an der Gesundheit ihrer Mitarbeiter gelegen ist, künftig darunter bewegen - und weitere gesundheitliche Schäden riskieren.
Schuften bis zum Tod, SZ 28.10.2009
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