Das gesellschaftliche Klima wird eisiger
Die Langzeitstudie "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit", die mit 10-jähriger Laufzeit Ursachen und Entwicklungen von Vorurteilen im Rahmen einer Forschungsgruppe unter Leitung von Wilhelm Heitmeyer vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld untersucht, legt zum Jahresende bedrückende Befunde vor. In einer wirtschaftlich geprägten Gesellschaft werden "wirtschaftlich Nutzlose" zum neuen Feindbild, warnen die Forscher. Tagesschau.de umreißt das zentrale Ergebnis der aktuellen Erhebung aus dem Mai/Juni 2010 mit 2.000 Personen wie folgt: "Angefeuert von politischen, medialen und wissenschaftlichen Eliten sind in höheren Einkommensgruppen deutliche Anstiege hinsichtlich abwertender, menschenfeindlicher Einstellungen gegenüber verschiedenen schwachen Gruppen vorzufinden. Dies müsse als eine deutliche Vereisung des sozialen Klimas interpretiert werden, meinen die Forscher." Die Wissenschaftler sprechen von einer "rohen Bürgerlichkeit" - infolge ökonomischer und gesellschaftlicher Kriseneffekte gebe es deutliche Hinweise auf eine "entsicherte wie entkultivierte Bürgerlichkeit". "Die neue Formel des Abbaus von sozialstaatlichem Anrecht auf Unterstützung laute: Gnade durch Wohlhabende und Selbstverantwortung der sozial Schwachen. Die Forscher betonen, dass der gepflegte Konservatismus abgestreift werde: Zivilisierte, tolerante, differenzierte Einstellungen in höheren Einkommensgruppen scheinen sich in unzivilisierte, intolerante Einstellungen zu wandeln. ", so tagesschau.de. In den höheren Einkommensgruppen ab 2.500 Euro netto pro Kopf) nehme die Zustimmung zu Etabliertenvorrechten zu. Wohlhabende fühlten sich trotz nachgewiesener Umverteilung von unten nach oben ungerecht behandelt und werten beispielsweise Langzeitarbeitslose deutlich stärker ab als die Befragten in niedrigen Einkommensgruppen dies tun. "Der semantische Klassenkampf von oben wird ungeniert offenbart", so die Wissenschaftler.
"Rohe Bürgerlichkeit und soziale Vereisung", tagesschau.de 3.12.10