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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Verquere Arbeitswelt

Wir nehmen die Bedingungen unserer Arbeitswelt leicht als unverrückbar gegeben hin und vergessen dabei gerne, wie diese Einstellung historisch gewachsen ist. Im Interview mit dem Philosophie Magazin erklärt der Soziologe Harald Welzer: "Deutschland ist eines der frühindustrialisierten Länder, in dem sich die entsprechende Produktionsart mitsamt dem zugehörigen Zeitregime sowie einer dazu passenden, normativen Hochbewertung von Arbeit über mehrere Generationen in die Psyche eingeschrieben hat." Vieles, was wir mit Arbeit verbinden, hat bis heute unsere Gegenwartskultur entscheidend geprägt. "Man muss auch sehen, dass mit dem bereits beschriebenen Prozess der Industrialisierung die Arbeit als Erziehungsmittel etabliert wurde. Wir merken mitunter heute noch, dass Begriffe wie Arbeit, Erziehung, Disziplin, ordentliche Lebensführung usw. stark miteinander verkoppelt sind", so Welzer. Vielleicht fällt es uns gerade deshalb so schwer, unsere Perspektive zu verändern? Die aktuellen Diskussionen um das Grundeinkommen oder auch eine 4-Tage-Woche illustrieren, wie Initiativen heute verstärkt versuchen, mehr Souveränität in das System zu bringen. Doch das ist gar nicht so einfach: "Es ist schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass Zeit nicht als politische Gestaltungsaufgabe begriffen wird, denn was macht man mit den Produktivitätszuwächsen, die es ohne Zweifel gibt? Man übersetzt sie in die Generierung von weiterem Mehrwert und nicht in kürzere Arbeitszeit. ... Aber immerhin gibt es bei der IG Metall jetzt Tarifabschlüsse mit der Wahl zwischen mehr Einkommen oder mehr Freizeit. Das sind also schon kleine Anzeichen dafür, dass es eine Renaissance der Arbeitszeitdiskussion gibt. Ansonsten wird aus Arbeitnehmerperspektive allerdings meist für mehr Lohn optiert, während aus Arbeitgeberperspektive der Produktivitätszuwachs so investiert wird, dass man noch produktiver sein kann. Zudem handelt es sich bei dem Drang, ständig beschäftigt zu wirken schließlich auch um ein Kulturphänomen. Etwas also, das sich nicht ohne Weiteres ändern lässt." Wir scheinen in einer Art Spirale festzustecken, doch vielleicht hilft es bereits, die Frage, wie wir Arbeit anders denken und leben können, einfach immer wieder zu thematisieren, um die verfestigten Denk- und Handlungsstrukturen langsam, aber sicher durchlässiger werden zu lassen.
Harald Welzer: „In manchen Berufen wird nur noch Unsinniges gemacht“, Philosophie Magazin 22.7.21

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Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

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