Was bringt Achtsamkeit im Business und der Gesellschaft?
In Balance bleiben im Home Office zwischen Zoom-Konferenzen und Kinderbetreuung? Nicht die Nerven verlieren in Wochen des Lockdowns? In der Pandemie wurde Achtsamkeit von vielen Medien geradezu als Geheimwaffe gepriesen. Und auch immer mehr Unternehmen springen auf diesen Zug auf, denn das Versprechen von konzentrierteren, kreativeren und dabei auch noch gesünderen Beschäftigten ist einfach zu verführerisch. Aber wie tragfähig ist dieser Hype wirklich? Im Kontext des Kongresses Meditation & Wissenschaft, der am 1./2. April 2022 wieder in Berlin stattfinden wird und den ich für drei Stiftungen organisiere, habe ich kürzlich einen Artikel geschrieben zum Thema "Der große Hype – und was davon übrig bleibt", in dem ich auf Fallstricke des Achtsamkeitstrends eingehe und gleichermaßen zeige, wo Meditation unter welchen Voraussetzungen hilfreich eingesetzt werden könnte. Ein bisschen allergisch reagiere ich ja, wenn man fragt, welche Probleme Achtsamkeit lösen kann. Da bin ich schnell geneigt zu sagen: Keine! Meditation ist keine Methode, um irgendetwas zu erreichen. Selbst, wenn sie vieles bewirkt. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Mitarbeiter in einem Unternehmen ist innerlich völlig ausgelaugt, weil die Anforderungen seines Jobs seine natürliche Leistungsfähigkeit bei weitem übersteigen. Natürlich kann er jetzt anfangen zu meditieren. Und das hilft ihm sehr wahrscheinlich dabei, abends besser abzuschalten und sich zu regenerieren. Womöglich ist er bei der Arbeit auch konzentrierter und schafft so ein höheres Pensum. Aber das eigentliche Problem, unrealistische Arbeitsanforderungen, ist dadurch keinesfalls gelöst. In dieser Hinsicht hat Meditation etwas von ihrer einstigen Unschuld verloren. Anfangs waren viele Berater und Coaches begeistert von den Erkenntnissen der Achtsamkeitsforschung. Und haben diese Methoden mit viel Elan in Unternehmen getragen. Und dort bewirken sie ja auch etwas, das möchte ich gar nicht leugnen. Aber wir laufen auch Gefahr, auf diese Weise systemische Fragen und Probleme zu umgehen, indem wir auf Lösungen im Individuellen setzen. Dann wird Achtsamkeit zur Schadenskompensation, ist aber kein Problemlöser.
Meiner Erfahrung nach, und ich meditiere seit 30 Jahren, kann kontinuierlich praktizierte Meditation Menschen in der Tiefe verändern. Aber eine Frage ist natürlich: Betrachte ich das dann als persönlichen Erfolg? Oder verändert sich dadurch auch meine grundlegende Beziehung zum Leben und zur Welt? In den spirituellen Traditionen der Weltkulturen, aus denen ja viele der heute säkular vermittelten Achtsamkeitsmethoden stammen, hatten diese Übungen immer auch einen gemeinschaftlichen und einen ethischen Bezug. Heute geht es vielen in unserer westlichen Kultur Meditierenden eher so, dass sie sich einfach mehr Wohlbefinden wünschen. Und daran ist auch absolut nichts falsch. Aber dieses rein persönliche Interesse hat zunächst einmal keine gesellschaftlichen Auswirkungen. Da braucht es auch Räume, in denen gemeinschaftliche Reflektionsprozesse stattfinden können. In denen Menschen sich frei von allen Zwängen darüber austauschen können, wie sich ihr Erleben verändert und wie sie dadurch eventuell auch ihr Handeln verändern möchten. Das ist ein langer Prozess und ein langer Weg.
Wer den ganzen Artikel lesen möchte, kann das hier tun:
Der große Hype – und was davon übrig bleibt, Meditation & Wissenschaft Dezember 2021