Wer sich zuerst bewegt, hat meist verloren
Proaktiv handeln, innovativ vorpreschen, kreativ neue Wege einschlagen - die Ratschläge vieler Managementexperten erscheinen in einem völlig neuen Licht, betrachtet man eine Studie der University of Birmingham. Dort hat ein internationales Forscherteam nämlich untersucht, dass dem Menschen das Reagieren deutlich leichter fällt als das Planen. Bei ihren neurologischen Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass das menschliche Gehirn deutlich schneller reagieren als agieren kann. Wird eine Handlung durch einen äußeren Impuls hervorgerufen, ist sie also eine Reaktion, arbeitet das Gehirn deutlich schneller als wenn die gleiche Handlung ohne äußeren Anstoß umgesetzt wird. Wo im Western meist der stirbt, der bei einem Duell zuerst die Waffe zieht, könnte es vielleicht sein, dass Führungskräfte diesen Zusammenhang intuitiv erkennen, wenn sie im Hinblick auf notwendige Veränderungsprozesse lieber den Ball erst einmal flach halten, warten was die Konkurrenz unternimmt und sich hinter der Prüfung weiterer Fakten verschanzen. Evolutionsbedingt ist die schnellere Reaktionszeit im Vergleich zum autonomen Agieren sicherlich hilfreich, denn die Schnelligkeit des Fluchtreflexes beispielsweise kann lebensrettend sein. Die Frage ist, ob so programmierte Gehirne im einer Zeit, in der initiatives Handeln mehr denn je gefragt ist, nicht auch ein Hemmschuh sein kann. Ein Trost für die, die schon heute gerne als erste aktiv werden: Die höhere Geschwindigkeit der Reagierer geht in Schießversuchen zu Lasten der Treffgenauigkeit.
Wer schneller zieht, ist früher tot, wissenschaft.de 3.2.2010