Achtsamkeit im Dienste kapitalistischer Arbeitsethik
Achtsamkeit im Business ist längst zum Selbstläufer geworden, doch nicht immer geht es dabei nur um das Wohl der Mitarbeiter. In einem Artikel beklagt etwa Der Standard: "In großen Tech-Konzernen werden immer öfter buddhistische Lehren zu einer kapitalistischen Arbeitsethik umcodiert". Der Beitrag zitiert etwa die amerikanische Soziologin Carolyn Chen, die in ihrem Buch "Work Pray Code" kritisiert: "Der Buddhismus hat eine neue institutionelle Heimat im Westen gefunden: das Unternehmen. Religion ist nun Teil der Arbeit." Autor Adrian Lobe schlussfolgert: "Das eigentlich Interessante ist, dass über das Vehikel von Apps ein Kulturimport des Zen-Buddhismus, das Konzept der Achtsamkeit, auf der ganzen Welt exportiert wird. ... Dass man ein Smartphone aber schlecht im Lotussitz halten kann und die Apps genau das erzeugen, was Achtsamkeit zuwiderläuft, nämlich Ablenkung, ist den Handlungsanleitungen nicht zu entnehmen. Insofern ist die buddhistisch beglaubigte Achtsamkeitsrhetorik auch nur ein aufmerksamkeitsökonomisches Bio-Label für fragwürdige Produkte, die allein ihre Entwickler ruhig schlafen lassen." Na dann, auf ein neues Jahr der McMindfulness.
Wie Tech-Konzerne Spiritualität für sich nutzen wollen, Der Standard 15.12.2022