Bewusstsein hat keine Grenzen
Für Naturvölker ist es eine Selbstverständlichkeit, dass nicht nur menschliche Lebewesen ein Bewusstsein haben, sondern alles Lebendige gewissermaßen in einem Netzwerk des Bewusstseins miteinander verbunden ist. In westlichen Kulturen haben wir uns von diesem Beziehungssystem schon lange verabschiedet, doch die Sehnsucht nach tieferer Verbundenheit scheint zu bleiben. Nicht wenige Menschen versuchen, diese durch die Einnahme halluzinogener Substanzen wieder zu erfahren. Eine amerikanische Studie, die die Erfahrungen von Menschen, die psychedelische Drogen eingenommen haben, untersucht, zeigt dabei: Die Einheitserfahrungen, die durch die Drogen ausgelöst werden, scheinen den Konsumenten wieder das Gefühl zu geben, dass Bewusstsein sie überall umgibt. Ein Drittel der Menschen glaubt vor dem Drogenkonsum, dass das Universum bewusst ist. Im Anschluss an eine psychedelische Erfahrung sind es 80 Prozent. Auch die Wahrnehmung, dass Pflanzen oder Pilze bewusste Organismen sind, erhöht sich nach dem Konsum um das Zwei- bis Dreifache. Ich finde es interessant, über Forschungsergebnisse wie diese auch im Kontext der Klimakrise nachzudenken. Vielleicht sollte man einmal untersuchen, wie diese Erfahrungen sich auf die gelebten Beziehungen zum Lebendigen im Alltag auswirken. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Menschen, die solche bewussten Verbundenheitserfahrungen einmal gemacht haben, auch ihre Lebensweise verändern. Dann sind ein paar Grad Klimaerwärmung vielleicht keine reine Rechengröße mehr, sondern man nimmt wahr, dass hier ganze Bewusstseinsräume, in die ja auch wir selbst eingebunden sind, ins Schwitzen kommen. Wobei: Damit aus Erfahrungen mehr werden kann als eine beglückende Erinnerung, braucht es wohl auch kulturelle Verständigungsräume, in denen die Relevanz des Erlebten gemeinsam bewusst aufrechterhalten werden kann.
Nach einem Trip fühlt sich die Welt anders an, spektrum.de 4.4.2022