Publikationen zum Thema Bore-out, einer Unterforderung am Arbeitsplatz, die krank macht oder machen soll, hatten im vergangenen Jahr Hochkonjunktur. Die Zeit fasst in einem Artikel das Für und Wider der gegenwärtigen Faktenlage noch einmal zusammen. Manche chronisch Gelangweilten landen mit der Diagnose Depression in der Statistik, doch viele Experten gehen davon aus, dass Bore-out eher ein Flurfunk-Syndrom als eine Krankheit ist. Die Bundesagentur für Arbeitsschutz schätzt aufgrund eigener Untersuchungen, dass etwa 14 Prozent aller Arbeitnehmer fachlich unterfordert sind, fünf Prozent überfordert. Mediziner sehen im Bore-out kein statistisch signifikantes Phänomen oder gar eine Krankheit. Viel interessanter ist es meines Erachtens nach, die Art und Weise, wie sich der Diskurs zum Thema entwickelt hat, genauer unter die Lupe zu nehmen. Zwei Buchautoren setzen das Thema - mit eher zweifelhaften Belegen - in die Welt. Weil es schick klingt, springen fast alle großen (Wirtschafts)Medien auf den Zug auf. So wird ein Phänomen geboren und verbreitet. Die Fachhochschule für Wirtschaft in Hannover hat in einer empirischen Studie erforscht, dass es die gerne beschriebenen Gefahren der Langeweile tatsächlich gibt - mahnt aber auch, dass dies nicht grundsätzlich neu sei. Und weist darauf hin, dass viele Gelangweilte dies sind, weil sie den falschen Beruf gewählt haben, überqualifiziert sind oder vorhandene Arbeit schlecht verteilt wird. Mit der Adelung zur Krankheit ist jedoch nichts erreicht, denn die mediale Bore-out-Euphorie hat letztlich lediglich zu einem neuen Jammertrend geführt. Das Mäkeln über einen wenig interessanten Job ist längst nicht so schick wie unter Bore-out zu leiden ... Dabei gerät außer acht, dass immer mehr Menschen ihr Lebensglück alleine von ihrer Arbeit abhängig machen und selbst oft kaum bereit sind, Veränderungen zu erwägen oder sich gar dafür zu engagieren (der Zeit-Artikel bringt ein Beispiel). Ich halte es für gefährlich, eine gesundheitskritische Lage wie den Burn-out, der häufig durch systematische Überforderung von Mitarbeitern entsteht, gegen welche diese sich nur bedingt schützen können, mit Situationen gleichzusetzen, in denen Menschen durchaus Veränderungsmöglichkeiten haben. Ein bisschen mehr Mut zur Selbstverantwortung würde sicherlich nicht schaden.
Diagnose: Chronische Unterforderung, Die ZEIT 19.1.2010
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Während viele Arbeitnehmer und auch Arbeitspsychologen sich hauptsächlich mit den negativen Folgen von Überarbeitung auseinandersetzen, manifestiert sich in der Business-Welt seit einigen Monaten ein neues Thema unter umgekehrten Vorzeichen: Bore-out, die Langeweile im Job und die Erlahmung aufgrund beruflicher Unterforderung. Das Manager Magazin lässt beispielsweise verschiedene Experten zu Wort kommen, die sich einig sind, dass quantitative und geistige Unterforderung auf Dauer genau so gefährlich sein können wie übermäßiger Stress. Das Fehlen beruflicher Herausforderungen und spannender Aufgaben führe zu einer "psychischen Sättigung" und damit zu Überdruss und Widerwillen. Die Experten empfehlen Unternehmen deshalb, gefährdeten Mitarbeitern im Zuge einer Jobrotation neue Aufgaben anzubieten. Aus Mitarbeitersicht sei es auch wichtig, schon bei der Jobsuche darauf zu achten, dass ein Arbeitsplatz nicht nur einen angemessenen finanziellen Lohn biete, sondern auch einen "qualitativen".
"Tödliche Langeweile", Manager Magazin 10.9.2007
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