Das Hadern mit der Gerechtigkeit
Passend zur Gerechtigkeitsstudie der Bertelsmann Stiftung (siehe News von gestern) hier noch ein paar Zahlen aus der Studie "Deutsche Zustände" des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer, über die ich bereits Anfang Dezember berichtet hatte. 60,4 Prozent aller Deutschen glauben, dass man in Krisenzeiten nicht auf Fairness durch andere zählen könne und 56,7 Prozent sind der Ansicht, dass Bemühungen um Gerechtigkeit in diesen Zeiten nicht erfolgreich sind. Gesellschaftliche und politische Konzepte werden vor diesem Hintergrund indes nicht in Frage gestellt. Vielmehr suchen viele Deutschen die Schuld an den herrschenden Zuständen bei denen, die auf der sozialen Leiter ganz unten angekommen sind. So meint mehr als die Hälfte der Deutschen, dass Langzeitarbeitslose "willensschwach, an ihrer Lage selbst schuld und für die Gesellschaft nutzlos" seien. 58,9 Prozent empören sich sogar darüber, dass "sich Langezeitarbeitslose auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen". Erschütternd an diesen Einschätzungen ist weniger, dass kaum noch jemand Gerechtigkeit erwartet - die durch die Krise geschürte Mentalität, jeder möge seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen, führt sogar dazu, dass immer stärker nach unten getreten wird, anstatt sich aktiv der Frage zu stellen, wie die Verhältnisse gerechter gestaltet werden könnten. Und wo inzwischen eine Mehrheit der Bevölkerung ganz klar sozialdarwinistische Motive propagiert, erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass die Politik sich gestaltend diesem Mehrheitswillen widersetzt. Ein Fass ohne Boden ...
Die Verrohung der Mittelschicht, Telepolis 23.12.10