In einem Interview mit dem Tagesspiegel konstatiert der Soziologe und Eliteforscher Michael Hartmann eine zunehmende Radikalisierung von Deutschlands Eliten. In den letzten Monaten habe sich, ausgelöst und/oder gefördert durch die verbalen Angriffe auf Hartz IV-Empfänger, die von Thilo Sarrazin, Guido Westerwelle und anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Protagonisten forciert wurden, zunehmend ein Treten nach unten manifestiert, so der Soziologe. Wo im gegenwärtigen Diskurs die Angst der kleinen Leute, selbst zum Absteiger zu werden, auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die als Sozialschmarotzer gebrandmarkt werden, projiziert werde, gerate aus dem Blick, welche gesellschaftliche Dynamik sich tatsächlich zeige, so Hartmann: "Das Getöse um die Frage, ob Hartz-IV-Empfänger Sozialschmarotzer sind oder nicht, lenkt davon ab, was am anderen Ende der Gesellschaft passiert. Der durchschnittliche Deutsche hat sein Vermögen zwischen 2002 und 2007 praktisch nicht steigern können, gerade einmal von 15 000 auf 15288 Euro. Anders war dies bei den oberen zehn Prozent mit einem Vermögen von mindestens 222 295 Euro, die um 6,6 Prozent zulegen konnten. Und richtig gewonnen hat in dieser Zeit das eine Prozent an der Spitze, mit Vermögen ab 817 181 Euro netto. Sie haben in fünf Jahren zehn Prozent dazugewonnen. Das heißt, dass dieser sehr kleine Teil der Bevölkerung, der nahezu ein Viertel des gesamten Vermögens in Händen hält, fast 150 Milliarden dazugewonnen hat. Darüber wird nicht geredet; dabei wäre es doch naheliegend zu fragen, ob nicht sie ihren Anteil leisten müssten. Schließlich hat die staatliche Rettung der Banken vor allem ihr Geld gesichert." Trau schau wem ...
"Deutschlands Eliten haben sich radikalisiert", Tagesspiegel 6.4.10
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