Der Sozialwissenschaftler Benedikt Rogge hat in seiner Dissertation die Selbstbilder von Arbeitslosen betrachtet und kam in seinen 60 geführten Interviews zu dem Schluss, dass der Jobverlust je nach identitärer Selbstverortung auf die Betroffenen ganz unterschiedliche Wirkungen hat. Rogge nennt dies "biographische Identitätsmodi", die vom persönlichen Umfeld, dem eigenen Lebensentwurf, von Bildung und gesellschaftlichem Standing, aber auch von den Aussichten auf dem Arbeitsmarkt gespeist werden. Seiner Untersuchung zufolge tun sich vor allem Geringqualifizierte, für die Jobhopping, prekäre Arbeitsverhältnisse oder Phasen ohne Arbeit fast schon zum Alltag gehören, leichter mit Arbeitslosigkeit als Menschen, die gut qualifiziert sind und unter dem Druck stehen, wieder eine vergleichbare Tätigkeit zu finden. Menschen, die kaum Aussicht haben, nach dem Verlust eines Jobs wieder etwas vergleichbares zu finden, erfahren die Arbeitslosigkeit entweder als Katastrophe - oder nutzen sie als Weg zu einer Transformation, in der sie ihrem Leben unabhängig vom Thema Arbeit neuen Sinn verleihen. Manche Arbeitslose verfallen auch in einen Befreiungsmodus und nutzen die Phase ohne Job, um sich innerlich neu zu finden. Dies gelingt vor allem denen, die mit freier Zeit umzugehen wissen und sich in Sicherheit wiegen, bald etwas vergleichbares zu finden - und die finanzielle Sicherheiten haben, um sich nicht sogleich ökonomisch bedroht zu fühlen.
Arbeitslosigkeit kann eine Befreiung sein, WiWo 28.5.13
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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