"Die Welt" hat in den letzten Monaten auf ihrer Wirtschaftsseite immer wieder Vergleiche mit den USA bemüht um zu zeigen, dass viele Ängste der deutschen Bevölkerung im Hinblick auf wirtschaftlichen Abstieg und wachsende Ungleichheit gemessen an den hiesigen Bedingungen unnötig seien. Sicher stimmt es, dass in Amerika die soziale Ungleichheit bereits deutlich größer ist als hierzulande, und auch, dass der soziale Abstieg, wenn er denn einmal begonnen hat, bei uns zumindest dank des Sozialsystems noch ein wenig abgefedert ist. Vergleiche dieser Art blenden allerdings aus, dass auch die deutsche Politik schon seit vielen Jahren einem als alternativlos propagierten Primat der Wirtschaft zu folgen scheint. Mit dem Wahlsieg Donald Trumps schleicht sich nun ein etwas anderer Ton in die Diskussion. So plädierte nach der Präsidentenwahl der Ökonom Thomas Straubhaar dafür, Europa möge sich nun seiner eigenen Qualitäten wieder mehr besinnen. Er spricht vom "Ansporn, ein eigenes europäisches Gesellschaftsmodell offensiver und selbstbewusster voranzubringen" und rät: "Wer die zunehmende gegenseitige Sprach- und Verständnislosigkeit zwischen den Gewinnern und Verlieren der Moderne, von Globalisierung und Digitalisierung verhindern und dort, wo sie bereits besteht, überwinden will, muss lieber früher als später über Teilhabe und Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Verteilung reden. ... Er muss in Sozialkapital investieren und damit gesellschaftliche und ökonomische Spaltungen gar nicht erst entstehen lassen. Deshalb gehört nun – auch für Elite und Establishment und gerade für Bürgerliche und Liberale – die Zukunft des Sozialstaates ganz oben auf die wirtschaftspolitische Agenda. Bevor es in Europa zu amerikanischen Zuständen kommt." Da kann man nur sagen - genau das wird höchste Zeit.
Das ist das Ende des Amrican Way of Life, Die Welt 10.11.16
© Dr. Nadja Rosmann 2023
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